Freitag, 30. Juli 2010

Höhenflug



Immerhin war sie 42 Jahre alt geworden, die gute Ifinger Seilbahn hinauf nach Meran 2000. Als sich abzeichnete, dass sie den fälligen Härtetest für die technische Überprüfung nur noch mit Mühe schaffen würde, beschloss man einen Neubau. Das Projekt wurde europaweit ausgeschrieben: die Firma Doppelmayr aus Lana stellt die Kabinenseilbahn auf, der Bozner Architekt Roland Baldi ging als Sieger des ausgeschriebenen Wettbewerbs für die Gestaltung der Berg- und Talstation hervor. Er entwarf  die beiden Gebäude so, dass sie sich spiegelgleich gegenüberstehen. Neben diesem ästhetischen Aspekt besitzt die neue Talstation einen entscheidenden Vorteil gegenüber der alten:  man wird ebenerdig einsteigen können und das leidige Treppensteigen hat ein Ende. Die neue Bahn wird die landesweit größten Seilbahnkabinen tragen, die 120 Personen fassen und in der Stunde 880 Personen befördern können. Die Fahrzeit wird auf sieben Minuten um nahezu die Hälfte verkürzt und das lästige Umsteigen an der Mittelstation gehört der Vergangenheit an. Die ausführende Baufirma hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, die Bahn in einer Bauzeit von 8 Monaten bis Dezember 2010 fertig zu stellen. Das gesamte Projekt soll um die 20 Millionen Euro kosten – eine hohe Summe zwar, die aber auch der Umwelt und dem verkehrsgeplagten Hafling zugute kommen soll, da man hofft, dass nun viel mehr Menschen statt mit dem Auto mit der Bahn nach Meran 2000 fahren werden. Bei aller Neuerung wird Eines bleiben: Nach wie vor wird die Bahn in der Sommersaison an der Mittelstation unterm Gsteier bei Bedarf Halt machen. Hohenwarts Wanderfreunde dürfen sich freuen.

Montag, 12. Juli 2010

Reisebilder, dritter Teil: Italien, Reise von München nach Genua, 1828 (Heinrich Heine)

Die Tiroler sind schön, heiter, ehrlich, brav, und von unergründlicher Geistesbeschränktheit. Sie sind eine gesunde Menschenrasse, vielleicht weil sie zu dumm sind, um krank sein zu können. Auch eine edle Rasse möchte ich sie nennen, weil sie sich in ihren Nahrungsmitteln sehr wählig und in ihren Gewöhnungen sehr reinlich zeigen; nur fehlt ihnen ganz und gar das Gefühl von der Würde der Persönlichkeit.
Der Tiroler hat eine Sorte von lächelndem humoristischen Servilismus, der fast eine ironische Färbung trägt, aber doch grundehrlich gemeint ist. Die Frauenzimmer in Tirol begrüßen dich so zuvorkommend freundlich, die Männer drücken dir so derb die Hand, und gebärden sich dabei so putzig herzlich, daß du fast glauben solltest, sie behandelten dich wie einen nahen Verwandten, wenigstens wie ihresgleichen; aber weit gefehlt, sie verlieren dabei nie aus dem Gedächtnis, daß sie nur gemeine Leute sind, und daß du ein vornehmer Herr bist, der es gewiß gern sieht, wenn gemeine Leute ohne Blödigkeit sich zu ihm herauflassen. Und darin haben sie einen naturrichtigen Instinkt; die starrsten Aristokraten sind froh, wenn sie Gelegenheit finden zur Herablassung, denn dadurch eben fühlen sie, wie hoch sie gestellt sind.
Zu Hause üben die Tiroler diesen Servilismus gratis, in der Fremde suchen sie auch noch dadurch zu lukrieren. Sie geben ihre Persönlichkeit preis, ihre Nationalität. Diese bunten Deckenverkäufer, diese muntern Tiroler Bua, die wir in ihrem Nationalkostüm herumwandern sehen, lassen gern ein Späßchen mit sich treiben, aber du mußt ihnen auch etwas abkaufen. Jene Geschwister Rainer, die in England gewesen, haben es noch besser verstanden, und sie hatten noch obendrein einen guten Ratgeber, der den Geist der englischen Nobility gut kannte. Daher ihre gute Aufnahme im Foyer der europäischen Aristokratie, in the west-end of the town.
Als ich vorigen Sommer in den glänzenden Konzertsälen der Londoner fashionablen Welt diese Tiroler Sänger, gekleidet in ihre heimatliche Volkstracht, das Schaugerüst betreten sah, und von da herab jene Lieder hörte, die in den Tiroler Alpen so naiv und fromm gejodelt werden, und uns auch ins norddeutsche Herz so lieblich hinabklingen – da verzerrte sich alles in meiner Seele zu bitterem Unmut, das gefällige Lächeln vornehmer Lippen stach mich wie Schlangen, es war mir, als sähe ich die Keuschheit des deutschen Wortes aufs roheste beleidigt, und die süßesten Mysterien des deutschen Gemütlebens vor fremdem Pöbel profaniert. Ich habe nicht mitklatschen können bei dieser schamlosen Verschacherung des Verschämtesten, und ein Schweizer, der gleichfühlend mit mir den Saal verließ, bemerkte ganz richtig: »Wir Schwyzer geben auch viel fürs Geld, unsere besten Käse und unser bestes Blut, aber das Alphorn können wir in der Fremde kaum blasen hören, viel weniger es selbst blasen für Geld.«

Drei Tage Tirol (Ringelnatz)

Ich bin gereist nach Tirol.
Und hab das Zuhause vergessen.
Ich habe viel Freiheit gefressen
Und viel Gesellschaft gespeist.
Landschaften hab ich gesoffen
Und Illusionen geraucht.

Die Menschen,die ich getroffen,
Standen meist so zu den Sternen,
Daß man,um sie kennenzulernen,
Nicht erst verreisen braucht.

Das nennt man Drahtseilbahn:Es hing
Ein Zündholzschächtelchen an Zwirn.

Und ein Gewitter kam.-Das ging
Mir superior durch Herz und Hirn.

Wie tut ein wildes Wandern wohl,
Wenn man sein Einsamgehn durchleuchtet!

An allen Stellen angefeuchtet
Kam ich nach Hause aus Tirol.